Kundeninterviews führen: der Leitfaden für Marketing & Vertrieb

Wieder mal keine Idee, welches Thema du für die nächste Content-Kampagne verwenden sollst? Euer neuer Marketing-Claim hört sich total nichtssagend an? Ihr seid unsicher, ob ihr auf Facebook, Instagram oder doch lieber auf LinkedIn posten sollt?

Der Grund für alles drei könnte sein: Ihr kennt eure Zielgruppen nicht gut genug und denkt nicht aus deren Perspektive. Ihr stützt euch nur auf Vermutungen und eigene Ideen.

Die Lösung: Führt regelmäßige Kundeninterviews. Sie sind aus meiner Sicht die einfachste Methode, um Daten und Fakten über eure Zielgruppen zu sammeln. Darauf könnt ihr dann eure Marketing- und Vertriebsmaßnahmen aufbauen.

In diesem Leitfaden erkläre ich dir detailliert, wie du Kundeninterviews planst, vorbereitest, durchführst und auswertest.

Was sind Kundeninterviews?

Kundeninterviews sind persönliche Gespräch mit Menschen aus deinen Zielgruppen. Durch die Interviews möchtest du die Probleme, Ziele und Bedürfnisse deiner Kundschaft besser verstehen lernen, um deine Marketing- und Vertriebsaktivitäten auf sie auszurichten.

Du führst die Interviews per Telefon oder Videokonferenz, bei Gelegenheit auch vor Ort, meist circa 15 bis 30 Minuten lang. Du stellst Fragen und lässt die Gesprächspartnerentspannt reden. 

Es geht hier nicht um einfache Telefonumfragen, wo du immer dieselben 10 Fragen stellst; sondern um tiefergehende Gespräche, in denen du nicht nur oberflächliche Auskünfte erhältst.

Trotz des Begriffes solltest du nicht nur Kunden interviewen, sondern auch Nichtkunden: Ex-Kunden, potenzielle Kunden oder Interessenten – warum, erkläre ich später. Deshalb nenne ich die Gespräche auch Discovery-Interviews oder Zielgruppen-Interviews; der Einfachheit halber bleiben wir in diesem Text beim Begriff Kundeninterviews.

Wofür verwendest du die Ergebnisse aus den Interviews?

Kundeninterviews zu führen ist aufwendig. Also wozu das Ganze? 

Am Ende entscheidet deine Kundschaft über Erfolg und Misserfolg deines Unternehmens; also solltet ihr bei jeder Entscheidung, die ihr trefft, die Sichtweise eurer Kunden berücksichtigen.

Kundeninterviews sind die beste Methode, um die Sichtweise eurer Kundschaft zu verstehen und tiefes Wissen über sie zu sammeln. Ihr könnt dadurch in Zukunft Entscheidungen und Strategien auf nachweisbaren Daten und Fakten aufbauen, statt nur auf Meinungen und Vermutungen.

Die Ergebnisse aus den Interviews kannst du unter anderem für folgendes verwenden:

Kundeninterviews eignen sich auch, um eure Produkte und Dienstleistungen selbst weiterzuentwickeln: zum Beispiel um neue Features zu priorisieren oder zu testen. Diese Interviews sind dann Aufgabe der Produktmanager. In diesem Artikel lege ich den Schwerpunkt auf die Verwendung der Ergebnisse in Marketing und Vertrieb.

Lies meine Anleitung, wie du eine pragmatische Content-Marketing-Strategie entwickelst.

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Die Interviews planen und koordinieren

Du willst loslegen? Ausgezeichnet.

Du kannst Kundeninterviews auf zwei Arten planen:

  1. Um eine Menge Daten zu sammeln, führt ihr eine konzentrierte Kampagne durch und plant 10, 20, 30 oder mehr Interviews innerhalb weniger Wochen.
  2. Um euer Wissen zu vervollständigen, führt ihr Kundeninterviews „nebenher“ durch, etwa eines pro Woche.

Wenn ihr ein Team bildet und alle einen Teil der Interviews übernehmen, kommt ihr schneller voran. Eine oder einer von euch sollte jedoch zentral alle Aktivitäten koordinieren. Denkt bei der Planung daran, dass nicht nur die Interviews selbst Zeit kosten; ihr müsst die Termine vereinbaren, die Interviews vor- und nachbereiten und auswerten.

Gesprächspartner auswählen

Welche Gesprächspartner solltest du auswählen? Es liegt nahe, zuerst gute Kundinnen und Kunden oder Netzwerk-Kontakte anzusprechen, die schnell zu einem Gespräch bereit sind. Das ist okay, für den Start und fürs Training.

Doch du möchtest repräsentative Erkenntnisse über eure Zielgruppen gewinnen. Wenn du wahllos mit Personen in unterschiedlichsten Situationen sprichst, wirst du mit den Ergebnissen nicht sehr viel anfangen können. Je beliebiger du deine Gesprächspartner auswählst, desto länger dauert es, bis du die erhobenen Daten auswerten kannst.

Konzentriere dich daher auf eine oder zwei Zielgruppen, am besten nach Marktsegment und Customer-Persona. Wie bereits erwähnt, plane auch Interviews mit Menschen, die noch nicht in eurer Kundendatenbank stehen. Ihre Meinung ist wichtig; schließlich willst du in Zukunft hauptsächlich sie überzeugen.

Wie kommst du an die Kontakte? Du kannst interne Quellen anzapfen:

  • Kontakte von Vertrieb (CRM) und Kundenservice 
  • Dein persönliches Netzwerk oder das von Mitarbeitenden
  • Kontakte im Newsletter-Verteiler

Oder du suchst selbst nach neuen Kontakten, zum Beispiel:

  • In sozialen Netzwerken, wie LinkedIn, XING und Facebook
  • Auf Messen und Events
  • Über einen Aufruf auf eurer Website

Termine vereinbaren

Schreib nun die ausgewählten Kontakte an und versuche, einen Interviewtermin mit ihnen zu vereinbaren. Sage klar, was du vorhast und warum. Die Menschen dürfen nicht den Eindruck gewinnen, du würdest sie hinterrücks in ein Verkaufsgespräch locken.

Mach es ihnen leicht, zuzustimmen: Sende am besten gleich konkrete Terminvorschläge mit oder schicke einen Kalender-Link, unter dem sie sich einen passenden Termin auswählen können.

Wie bereitwillig sich Menschen zu einem Interview bereit erklären, hängt neben deiner Nachricht vor allem von deiner Zielgruppe ab: Führungskräfte in Unternehmen etwa sind natürlich schwerer zu erreichen als Privatpersonen.

Kundeninterviews vorbereiten

Rund 20 Minuten sind nicht lange; um Ergebnisse aus den Interviews zu bekommen, musst du dich gut vorbereiten. Überlege dir, welche Daten oder welches Wissen du bekommen möchtest, und setze dir einen thematischen Schwerpunkt.

Schreibe dir einige Fragen auf, die du stellen möchtest. Erstelle jedoch keinen vollständig vorgefertigten Fragenkatalog! Das Interview muss spontan sein, sowohl von dir als auch von deinen Gesprächspartnern aus. Deshalb findest du in diesem Artikel auch keine Vorlage oder keinen festen Fragenkatalog für Kundeninterviews. Wie du das Gespräch führst, erkläre ich gleich.

Erinnere die Menschen einen Tag vorher nochmals an den Termin, damit sie ihn nicht vergessen. Konzentriere dich kurz vor dem Interview, prüfe die Technik, stelle dein Smartphone stumm und andere Störfaktoren ab. Lege dir etwas für kurze Notizen bereit.

Kundeninterviews führen

Dein Gegenüber nimmt den Hörer ab oder schaltet die Webcam an: jetzt bist du gefordert.

Der Gesprächseinstieg

Begrüße dein Gegenüber freundlich und bedanke dich. Erkläre nochmals kurz den Zweck des Interviews. Zwei Sätze Smalltalk sind nicht verkehrt, mehr ist in der Regel nicht nötig. Du möchtest die Zeit gut nutzen und nicht überziehen. Starte gleich mit dem Interview.

Das Gespräch führen: Fragen stellen

Stelle nun eine relativ offene Eingangsfrage in Verbindung mit dem Thema, über das du sprechen möchtest. Etwa:

„Wie läuft aktuell das Thema X bei Ihnen?“

„Was ist beim Thema X aktuell Ihre größte Herausforderung?“

Darauf wird dein Gegenüber kurz oder länger erzählen. Höre aufmerksam zu und achte darauf, welche Aufgaben, Probleme oder Ziele er anspricht.

Erwähnt er oder sie etwas, was dich näher interessiert, knüpfe daran an:

„Sie sagten gerade, dass X immer wieder passiert. Können Sie dazu ein konkretes Beispiel nennen?“

„Sie erwähnte gerade, dass Sie mit X Probleme haben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?“

Durch verschiedene, wiederholte Fragen gehst du einer Sache auf den Grund und erfährst alles darüber, was du wissen möchtest.

Einfache Fragen, die du immer wieder stellen kannst, sind (wenn X ein Problem ist):

  • Warum?
  • Woran liegt das?
  • Wie meinen Sie das?
  • Können Sie mir ein konkretes Beispiel dafür nennen?
  • Welche Auswirkungen spüren Sie durch X?
  • Wie fühlen Sie sich wegen X?
  • Welches Ziel möchten Sie in Bezug auf X erreichen?
  • Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie das Ziel erreichen?
  • Was tun Sie, um X heute schon zu lösen?

Deine Fragen müssen sich natürlich an dem orientieren, was dein Gegenüber sagt. Du musst extrem konzentriert sein und zuhören, damit dir keine Aussagen entgehen, die wichtig sein könnten.

Die wiederholten Fragen helfen dir nicht nur, mehr Erkenntnisse zu gewinnen. Menschen sagen oft nicht (sofort), was sie wirklich denken und fühlen. Manchmal wissen sie es selbst nicht so recht, weil sie sich bisher kaum Gedanken darüber gemacht haben. 

Deshalb musst du bei Aussagen herausfinden, ob sie wirklich der Realität entsprechen. Wenn du mehrmals nachfragst, kommst du den Dingen auf den Grund. Frage danach, was die Menschen tun; weniger danach, was sie denken.

Hast du zu einem Thema alles herausgefunden, was möglich ist, gehe zum nächsten Thema über und fange das Spiel von vorn an. So kannst du innerhalb der 15 bis 30 Minuten deines Kundeninterviews vielleicht 3 bis 5 Themen intensiv besprechen.

Neben den offenen Interviewfragen kannst du natürlich auch einige Standardfragen stellen, zum Beispiel: 

„Auf einer Skala von 1 bis 10, wie gut finden Sie X?“

Diese Fragen sollten jedoch nur eine Ergänzung sein; dafür benötigst du keine Interviews, das geht mit anderen Umfragemethoden schneller und besser.

Gesprächsende

Komme rechtzeitig zum Schluss und bedanke dich erneut. Frage die Person, ob ihr andere einfallen, die du ebenfalls interviewen könntest, und ob sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu einem Interview bereit wäre.

Kundeninterviews dokumentieren

Direkt nach dem Gespräch solltest du es analysieren und auswerten. Erstelle dir am besten eine Vorlage, in der du jeweils die Erkenntnisse aus den Kundeninterviews einträgst. Fasse die wesentlichen Informationen zusammen, die du zu deinem Thema gesammelt hast. Du kannst auch wörtliche Aussagen notieren und spontane Ideen, die dir nach dem Gespräch einfallen.

Verfasse die Dokumentation so, dass sie auch andere verstehen und nutzen können. Schließlich wollt ihr die Daten auch im Team verwenden.

Kundeninterviews auswerten

Ab wann kannst du anfangen, die Kundeninterviews systematisch auszuwerten? Dann, wenn du das Gefühl hast, dass sich die wesentlichen Aussagen zu einem Thema wiederholen und dir weitere Interviews keine neuen Erkenntnisse bringen würden.

Das passiert in der Regel, nachdem du mit 5 bis 10 Vertretern und Vertreterinnen jeweils einer Customer-Persona gesprochen hast.

Suche nach Gemeinsamkeiten und wiederkehrenden Mustern in den Interviews: die Probleme, Ziele, Wünsche oder Motivationen auf, die immer wieder genannt wurden. Du kannst davon ausgehen, dass diese Aspekte auf einen Großteil der betreffenden Zielgruppe zutreffen. 

Analysiere die dokumentierten Interviews im Hinblick auf die Fragen, die du hattest. Ziehe die Daten heraus, die du benötigst. Wichtig: Stütze dich niemals nur auf einzelne Aussagen. Erst wenn etwas fünfmal oder öfter gesagt wurde, kannst du annehmen, dass es ein Fakt ist. Ansonsten könnten es Sonderfälle sein, an denen du dich nicht orientieren möchtest.

Hier erkläre ich dir, wie du mit Personas dein Marketing auf Fakten aufbaust.

Was, wenn du kaum solcher Gemeinsamkeiten in den Interviews entdeckst? Dann hast du wahrscheinlich mit unterschiedlichen Customer-Personas gesprochen. Überlege, welche das sein könnten. Führe weitere Kundeninterviews mit den jeweiligen Customer-Personas durch, bis du die erforderliche Anzahl – 5 bis 10 – erreicht hast.

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