Was ist der Creaming-Effekt (in Schule und Wirtschaft)?

Er hat weder mit Backen noch mit Sonnenschutz zu tun: der Creaming-Effekt. Stattdessen beschreibt er, wie sich Organisationen, etwa Unternehmen oder Schulen, im Wettbewerb mit anderen Vorteile verschaffen zu versuchen.

Was genau ist unter dem Creaming-Effekt zu verstehen und wie wirkt er sich aus? Das erfahren Sie in diesem Artikel, erklärt an vier Beispielen: Schulen, Krankenhäuser, Jobvermittlungsmaßnahmen und Teams in Unternehmen.

Woher stammt der Begriff Creaming-Effekt?

Creaming ist ein Begriff aus der Chemie und bezeichnet das Trennen einer fetthaltigen Flüssigkeit in einen stark fetthaltigen und einen weniger fetthaltigen Teil. Bei Milch würde man von „Aufrahmen“ sprechen: Der Rahm oder die Sahne setzt sich oben ab, darunter sammelt sich die Magermilch. Die Sahne lässt sich dann abschöpfen und separat verwenden.

(Die Erklärung ist chemisch nicht 100 Prozent korrekt – sondern extra leicht verständlich formuliert.)

Im übertragenen Sinne bedeutet Creaming, dass man von etwas nur das Beste auswählt und den schlechteren Rest den anderen überlässt; etwa dass eine Schule nur die besten Schülerinnen und Schüler aufnimmt oder sich eine Verkäuferin den Kolleginnen immer die besten Kunden vor der Nase wegschnappt.

Dadurch sind diese Personen oder Organisationen erfolgreicher – jedoch nicht aufgrund ihrer Leistung, sondern weil sie mit besseren Voraussetzungen arbeiten.

Manchmal wird auch der Begriff „Skimming“ verwendet, der „Abschöpfen“ bedeutet.

Der Creaming-Effekt im Schulwesen

Im Schulwesen wird insbesondere vom Creaming-Effekt gesprochen, wenn es um den Vergleich zwischen Einheitsschulen (Gesamtschulen) und Gymnasien geht, oder um den Vergleich von regulären Schulen und besonderen Schulen (etwa Privatschulen mit besonderen Unterrichtskonzepten.)

Bei Leistungsvergleich schneiden die Gymnasien oder Privatschulen oft besser ab. Doch muss das nicht daran liegen, dass deren Methoden, Konzepte oder Lehrkräfte besser sind; sondern dass die Schülerschaft im Durchschnitt von vornherein ein höheres Leistungsniveau besitzt.

Gymnasien oder Schulen mit besonders gutem Ruf ziehen „bessere“ Schülerinnen und Schüler an: solche aus wohlhabenden Familien mit hohem Bildungsgrad, oder solche mit hervorragenden Leistungen in der Vergangenheit. Für die anderen Schulen bleibt „der Rest“. Würden die Kinder gleichmäßig auf beide Schultypen verteilt, würden sich wahrscheinlich auch die Ergebnisse angleichen.

Dieser Creaming-Effekt wird von beiden Seiten verursacht: sowohl von den Schulen als auch den Eltern selbst. 

Schulen, die mehr Anmeldungen bekommen als sie Plätze haben, können sich die Schülerinnen und Schüler aussuchen. Sie tendieren dazu, schwierige Fälle wie etwa Kinder aus migrantischen Familien abzulehnen.

Andererseits schicken Eltern, deren Kinder hervorragende Leistungen bringen, ihre Kinder häufiger auf Gymnasien oder besondere Schulen. Durchschnittliche Schülerinnen und Schüler und solche mit Lernproblemen werden von den Eltern dagegen häufiger auf Gesamtschulen oder reguläre staatliche Schulen geschickt.

(Hinweis: Ich möchte nicht die Leistung von Schülerinnen und Schülern bewerten, sondern beschreibe lediglich die Auswirkungen in der Realität.)

Der Creaming-Effekt im Gesundheitswesen

Auch Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen stehen im Wettbewerb zueinander. Die Preise, die sie für bestimmte Leistungen verlangen können, sind oft begrenzt, wie etwa durch die Fallpauschalen der Krankenkassen. (Für eine bestimmte Behandlung werden immer dieselben Kosten erstattet, unabhängig davon, wie aufwendig die Behandlung ist.)

Das bedeutet, Gesundheitseinrichtungen können (bei Standardbehandlungen) Ihre Umsätze nur auf einem Weg erhöhen: Indem sie Ihre Kosten senken.

Je einfacher die Behandlung, desto niedriger die Kosten. Krankenhäuser werden also versuchen, möglichst einfache Fälle anzunehmen, die leicht heilbar sind; die etwa schnell wieder entlassen werden können. Menschen mit schwierigen, langwierigen Krankheiten sollen dagegen möglichst abgewimmelt werden.

Gleichzeitig steigt die Quote der erfolgreichen Behandlungen; die Qualität der Behandlung erscheint besonders hoch. So kann sich eine Klinik einen guten Ruf erarbeiten.

Dies hilft ihr wiederum, anspruchsvolle Patientinnen und Patienten anzulocken und ihnen lukrative Behandlungen zu verkaufen – ein weiterer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen.

Der Creaming-Effekt in der Job-Vermittlung und bei Weiterbildungsmaßnahmen

Job-Vermittler und Anbieter von Weiterbildungen, die im Auftrag des Staates arbeiten, haben strenge Zielvorgaben: sie müssen eine bestimmte Anzahl von Arbeitslosen innerhalb einer bestimmten Zeit wieder in einen Job bringen.

Außerdem erhalten sie fixe Pauschalen pro Fall, unabhängig davon, wie lange die Vermittlung oder Weiterbildung dauert.

Je einfacher Arbeitssuchende zu vermitteln sind, desto schneller geht es und desto niedriger sind die Kosten. Das ist gut für die Unternehmensbilanz und für die Erfolgsstatistik. 

Die Anbieter suchen sich daher, wenn möglich, die einfachsten Fälle heraus: Arbeitssuchende mit guter Gesundheit, guten Zeugnissen und gefragten Kompetenzen.

Problemfälle dagegen versuchen sie an andere abschieben – oder sie kümmern sich nicht um sie, da dort „sowieso nichts zu holen sei“.

Dasselbe kann auf die staatlichen Arbeitsagenturen zutreffen: Um die Vermittlungsziele zu erreichen, verwenden sie ihre ganze Kraft auf die leicht vermittelbaren Fälle; Langzeit-Arbeitssuchende dagegen erhalten kaum Unterstützung.

Der Creaming-Effekt im Vertrieb von Unternehmen

Verkaufs- oder Vertriebspersonal in Unternehmen wird oftmals auf Basis der Umsätze bezahlt, die die einzelnen erzielen; oder sie erhalten zusätzlich zum Gehalt erfolgsabhängige Boni.

Einzelne Mitarbeitende könnten nun versuchen, sich Vorteile zu verschaffen, indem sie sich die lukrativen Kunden sichern: solche, die mehr Geld ausgaben wollen oder leichter zu gewinnen sind. Für die anderen bleiben die schwierigeren Kunden übrig.

Dadurch erzielen sie höhere Umsätze und verdienen am Ende mehr, obwohl sie keine besseren Verkäuferinnen oder Verkäufer sind – vielleicht sogar schlechtere.

Negative Auswirkungen des Creaming-Effekts

Der Creaming-Effekt ist unerwünscht. Er ist meist eine Nebenwirkung, wenn Anreize oder Belohnungssysteme geschaffen werden, um die Leistung oder Qualität zu verbessern.

Durch das „creamen“ oder „Abschöpfen der Sahne“ können sich Menschen und Organisationen die Belohnung verschaffen, ohne dass sie ihre Leistung wirklich verbessern. Die eigentlichen Ziele der Anreize werden verfehlt.

Stattdessen verstärkt der Creaming-Effekt Ungleichheit und Benachteiligung auf allen Ebenen:

  • Ressourcen wie Geld werden ungleich verteilt; reiche Organisationen werden reicher, arme noch ärmer.
  • Statt Leistung wird unfaires Verhalten belohnt.
  • Eventuell sinkt die Qualität letztlich sogar.
  • Organisationen, die sich speziell um Schwächere und Hilfsbedürftige kümmern, werden benachteiligt.
  • Menschen, die Hilfe brauchen, werden vernachlässigt, weil sie „nicht lukrativ“ genug sind.

Quellen:

https://www.encyclopedia.com/sports-and-everyday-life/food-and-drink/food-and-cooking/creaming
https://www.jstor.org/stable/2524307
https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_6152_1.pdf/7b159c52-d99e-62e3-5b69-1b5d330147fd

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